NATO-Gipfel: mit dem Latein am Ende

Der NATO-Gipfel will die Ukraine nicht im Bündnis haben. Es gibt keine Garantien für Selensky. Stattdessen ist die NATO-Erweiterung jetzt das große Thema. 

NATO Osterweiterung seit 1990
Die Geschichte der NATO Osterweiterung seit 1990 – Quelle: NATO

Der Nato-Gipfel, der am 11. und 12. Juli 2023 in Vilnius abgehalten wurde, hat der Ukraine den Weg in das Militärbündnis versperrt. Er sei aber, so der Generalsekretär Jens Stoltenberg,

„eine Einladung an die Ukraine, der NATO beizutreten, wenn die Verbündeten zustimmen und die Bedingungen erfüllt sind“.

Es sei ein „starkes Paket für die Ukraine und ein klarer Weg zur Mitgliedschaft in der NATO“. So klingt das in der Diplomatensprache der Nordatlantiker, die ein Nein als positives Zeichen und eine zugeschlagene Türe zur Einladung und Chance umformulieren. Dementsprechend undiplomatisch fiel die erste spontane Reaktion des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selensky aus:

Es sei „beispiellos und absurd, wenn es weder für die Einladung noch für die Mitgliedschaft der Ukraine einen Zeitrahmen gibt“.

Das Bündnis das sich in so ziemlich allem verschätzt hat, sieht stattdessen in Selensky den Schuldigen. Er habe trotz voluminöser Waffenlieferungen und elektronischer Unterstützung, von der Aufklärung aus dem All bis zur einzelnen Zielfindung auf dem Schlachtfeld es nicht im Ansatz geschafft, die Russen zu besiegen. Die seit Monaten medial viel beschworene Offensive war ein Flop, der die Ukraine eine Unmenge an Ausrüstung gekostet hat, vor allem aber einen unglaublichen Blutzoll.

Die von den USA und der NATO angetriebene ukrainische Armee hat, allen Lügengeschichten der westlichen Systemmedien zum Trotz, keinerlei Geländegewinne erzielen können. Im Gegenteil, auf dem Vormarsch sind allein die Russen.

Am Tag vor Konferenzbeginn musste US-Präsident Joe Biden in einem CNN-Interview, wie auch parallel sein Außenminister Blinken, öffentlich einräumen, dass im NATO-Bündnis faktisch keine Munition mehr vorhanden sei, die man der Ukraine liefern könne. So kam trotz der schönen Reden und medialen Lügen recht unverblümt zum Ausdruck, dass der gesamte Ukrainekrieg ein Desaster ist und, wie Kritiker aus den Reihen des US-Militärs einräumten, am besten gar nicht erst begonnen worden wäre. Ein Krieg, bei dem der so siegessicher angetretenen Supermacht auf halber Strecke die Munition ausgeht, die nicht einmal über entsprechende industrielle Kapazitäten verfügt, um einen solchen „Mangel“ in einem absehbaren Zeitraum auszugleichen, ist in den Kriegen der Neuzeit ein einmaliger Vorgang.

Aber vergessen wir nicht, dem ging das Desaster der Wirtschaftssanktionen voraus. Die vollmundig angekündigten „Strafmaßnahmen“ gegen Russland und die dabei selbst erzeugte Energiekrise war ein Schuss ins eigene Knie. Wohingegen die Länder des globalen Südens, die BRICS und die Länder der SOC in Asien wirtschaftlich und politisch weiterhin gestärkt aus diesem Akt hervorgehen. Trotz allem Druck des US-Imperialismus ist die Zahl der Unterstützer klein geblieben. Auch wenn die Bündnispolitik mit großem Aufwand die Show von der mächtigen und erfolgreichen NATO vorspielt – es bleibt angesichts des Blutvergießens – eine jämmerliche Show, die nicht einmal niedrigstes Hollywood-Niveau erreicht. Ein Potemkin’sches Dorf. Der NATO-Gipfel in Vilnius war ein weiterer Akt im Trauerspiel des Niedergangs der Weltmacht.

Wer erwartet hatte, die NATO würde die Ukraine jetzt zu Verhandlungen mit Russland veranlassen bzw. zwingen, sieht sich getäuscht. Es muss weiter gekämpft werden! Die NATO-Staaten haben neue Rüstungspakete geschnürt und werden dies auch weiterhin tun. Die Ukraine, deren Mitgliedschaft in Vilnius offiziell abgebügelt wurde, ist jetzt wie ein Hund, dem die Wurst mit einem langen Stock vor die Schnauze gehalten wird, er sie aber nicht zu schnappen kriegt. Ausgesprochen hat es in Vilnius niemand, aber es ist ein Kriegführen mit Waffen, aber ohne Munition. Eine Direktive des NATO-Gipfels, die sich an Absurdität, ja an Perversität nicht überbieten lässt.

Aber der militärisch-industrielle Komplex hat Blut geleckt und will, dass diese Geschäfte weiterlaufen. Für die US-Industrie sind F16 Jagdbomber, HIMARS Raketenwerfer, Patriot Flugabwehrsysteme, Bradley und Abrahams Panzer oder 155mm-Panzerhaubitzen die letzten wirklich großen Exportartikel einer einstmals starken Industrie. Aber das ist Geschichte. Der Spruch eines amerikanischen Politikers, es werde gekämpft bis zum letzten Ukrainer, wird vom NATO-Gipfel umgesetzt. Unfassbar. Denn es gibt noch eine zweite Deadline im grausamen Spiel: die US-Präsidentenwahl im November nächsten Jahres. Die Schmierenkomödie von der erfolgreichen NeoCon-Politik und ihrer politischen „Elite“ soll bis zum bitteren Ende gespielt werden. Selbst wenn Joe Biden dies nicht mehr lebendig durchstehen sollte.

Es wird immer deutlicher, dass dahinter kein Konzept steckt. Es geht ums Durchhalten. In Deutschland dürfte es ja noch bekannt sein, selbst wenn es vielen momentan lieber nicht mehr einfällt. Denn der damalige Kampf um den Endsieg ging gründlich daneben. Die Konzeptionslosigkeit der NATO und ihrer Führungsmacht drückt sich denn auch in einem neuen Narrativ aus, über das in Vilnius weitaus am meisten gesprochen wurde. Nämlich die Erweiterung und Ausdehnung des NATO-Bündnisses. Nicht mehr die Ukraine, sondern die Bündniserweiterung steht nun im Vordergrund. Davon verspricht man sich offenbar mehr Macht und Profit.

Wenn sich schon die Masse der Staaten nicht mehr an der Supermacht USA und ihren Vasallenorganisationen, wie UN, WHO oder IMF orientiert, dann sollen wenigstens die im Regentschaftsgebiet – sprich Europa – noch vorhandenen weißen Flecken mit neutralen Staaten beseitigt werden. Nach der NATO-Osterweiterung sind inzwischen Finnland und Schweden eingemeindet worden. Schwedens offizieller Beitritt wurde in Vilnius mit Erdogans großer Show regelrecht zelebriert. Er galt vielen offiziellen Teilnehmern als das eigentliche Ergebnis der Konferenz. Und die nächsten Aspiranten, Irland, Österreich und die Schweiz sind gerade dabei, sturmreif geschossen zu werden. Und in Vilnius sprach man auch schon von Serbien. Ganz Europa als devoter Hinterhof der USA.

Aber auch hier schimmert die schlechte Show und der Selbstbetrug, der inzwischen zur vorherrschenden Attitüde großamerikanischer und großeuropäischer Politik – auch der Wirtschaft – geworden ist, durch alle Löcher des verschlissenen Anzuges hindurch. Alleine beim Thema Krieg gegen den „Hauptgegner“ China, wie es noch vor kurzem vollmundig lautete, herrschte Zurückhaltung. Da sind sich, wie es scheint, die NeoCons untereinander noch nicht einig. Also kocht die NATO im indopazifischen Raum vorerst auf kleiner Flamme. Ohne Munition würde man im wirtschaftlich aufstrebenden Asien auch nicht ernst genommen. Die PR hat halt ihre Grenzen.

Quellen und Verweise:
Zusammenfassung der Abschlusserklärung der NATO-Chefs in Vilnius aus Anti-Spiegel 
NATO-Erweiterung schreitet voran, tkp 11.07.2023  
Die EU am Rande des Bankrotts

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