Erster KI-Wahlkampf

Gekämpft wurde im argentinischen Präsidentschaftswahlkampf mit harten Bandagen, nämlich mit künstlicher Intelligenz (KI), die für gegenseitige Diffamierung, Herabwürdigung und Verwirrung eingesetzt wurde.

KI-Argentinien
KI-Bild aus dem argentinischen Präsidentschaftswahlkampf – Quelle: twitter/X

Am Sonntag den 19. November 2023 wähl(t)en die Argentinier ein neues Staatsoberhaupt. Was in Deutschland normalerweise keine Beachtung findet, verhält sich dieses Mal anders. Der Entscheidung zwischen dem aktuellen Wirtschaftsminister Sergio Massa und seinem Konkurrenten Javier Milei ging eine völlig neue Art des Wahlkampfes voraus. Beide Lager bekämpften sich mit KI-generierten Bildern und Videos sowie Deepfakes, die den jeweils anderen diskreditieren sollten. Deepfake bedeutet tiefgreifende Fälschung, die unter anderem mit lebensechten Videos arbeitet, bei denen es sogar Experten schwer fällt, die Wahrheit zu erkennen. Die sogenannte Künstliche Intelligenz spielte im Wahlkampf eine so große Rolle, dass Beobachter davon sprachen, dies sei die „die erste KI-Wahl“ (New York Times) der Welt.

Die Programme, mit denen das gemacht wird, sind teilweise so gut, dass die meisten Menschen nicht mehr unterscheiden können, was echt oder fake ist. So tauchte Kandidat Massa auf einem Cover des US-Magazins New Yorker auf, das nie existiert hat. Milei wiederum ließ sich als netten Comic-Löwen zeigen, der eine Gans mit argentinischer Flagge umarmt. Beide Bilder wurden allein auf X (ehemals twitter) über 30 Millionen Mal getwittert. Auf den ersten Blick mag das noch nach PR und ausgebuffter Werbung klingen. Legt man einem gegnerischen Kandidaten aber Aussagen und eine politische Linie in den Mund, die er nie vertreten hat, so ist das eine Grenzüberschreitung der übelsten Sorte. Sie ist kriminell. So sorgte besonders ein Deepfake-Video für Empörung, in dem Milei – angeblich – erklärte, wie er sich einen Handel mit menschlichen Organen vorstelle und warum er einen solchen unterstützen würde. Zwar widersprach Milei heftig, aber wie der Volksmund weiß, es bleibt immer etwas davon hängen.

Aktuelle KI-Bildgeneratoren, wie etwa Midjourney, sind darauf spezialisiert, in wenigen Minuten auf Sprachbefehl des Anwenders jedes beliebige Foto oder Video zu erzeugen – sei es noch so fern der Realität oder gar kriminell. Bekannte Beispiele sind etwa Bilder, die Donald Trump zeigen, wie er versucht, vor der Polizei zu flüchten. Oder auch Angela Merkel, die zusammen mit ihrem „Schatz“ Barack Obama ein Eis schleckt und ihn anhimmelt. Die Erstellung solcher KI-Videos ist inzwischen ein Kinderspiel. Die Bilder bzw. Videos lassen sich in wenigen Minuten mit einfacher Spracheingabe oder originalen Audiodateien „zusammenbasteln“.

Ampelministern Habeck und Lauterbach Fakestorys in den Mund gelegt – Quelle: WhatsApp, Autor unbekannt


Wobei der Begriff „Künstliche Intelligenz“ für solche Anwendungen sehr geschickt gewählt ist. Denn er ist tatsächlich reine Ideologie. Intelligenz gibt es nur bei Menschen und Tieren und sie erfordert Bewusstsein und Willen. Das führt allerdings sofort zur Frage, was die Propagandisten der KI erreichen wollen. Die jetzige Stufe der Digitalisierung lässt es zu, dass leistungsfähige Programme und Datenbanken blitzschnell gewünschte Bilder, Texte oder Audios aus dem Netz saugen und eine gewünschte Kombination erzeugen. Das gilt auch für das Schreiben von Texten und Geschichten. Seit einem Jahr ist ChatGPT (Chatbot Generative Pre-trained Transformer) auf dem Markt. Das Sprachmodell eines US-Unternehmens kann Texte erzeugen, Geschichten erfinden und programmieren. Und es wird – wieder einmal – als Erleichterung der menschlichen Arbeit verkauft. Also als Fortschritt.

Doch die Intelligenz liegt nicht im Programm, sondern beim Anwender und dessen Vorgaben. Genauer gesagt geht es um die Absicht, die dahinter steht. Und die kann gut oder böse sein. Dem dummen Programm ist das, entgegen aller Apologetik, völlig egal. In Deutschland sind inzwischen auch jede Menge Beispiele im Umlauf, ohne das eine Mehrheit der Menschen sich darüber im Klaren zu sein scheint, dass es sich um KI handelt und welche Manipulation dies bedeutet. In unserem Beispiel wird der grüne Wirtschaftsminister Habeck „verballhornt“. So jedenfalls scheinen das viele Menschen mit einer gewissen Schadenfreude zu empfinden. Die Fans von Habeck wiederum sehen das genau andersrum. Den wenigsten scheint aber klar zu sein, dass sie eine bewusst erzeugt Manipulation, einen kriminellen Akt, vor sich haben. Zwar sei in der Endphase des argentinischen Wahlkampfes eine „gewisse Ernüchterung“ eingekehrt, aber die KI-Anwendung, von der ja auch die deutsches Bundesregierung mit Begeisterung spricht, könnte sich in den kommenden Monaten und Jahren auch in bei anderen Wahlen zeigen, etwa in den USA oder in Deutschland.

Quellen und Verweise:
Generische KI im Journalismus – Sorgfalt, Transparenz und Qualität gewährleisten, verdi Fachgruppe Medien, Journalismus, Film
Deepfakes auf beiden Seiten: In Argentinien tobt der erste KI-Wahlkampf, t3n 15.11.2023

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