Ein Krieg, den die USA steuert, den sie von den NATO-Vasallen finanzieren lässt und für den die Ukrainer mit ihrem Blut bezahlen. Das Konzept der Proxy Wars ist am Ende.
In der Berichterstattung der deutschen Systemmedien über den Ukraine Krieg wird beständig eine Siegeszuversicht verbreitet, die in ihrer Verbohrtheit langsam unheimlich erscheint. Sie erinnert immer mehr an die Tiraden des Reichspropagandaministeriums: es wird von einer erfolgreichen Kriegsführung der Ukraine berichtet, die gar nicht existent ist. Kritische und nachdenkliche Töne waren bislang kaum zu hören. Im Gegenteil, die Zahl derer, die in den Chor der einseitig Festgelegten einstimmen, wird in dem Maße lauter, wie die militärischen Fehleinschätzungen und Misserfolge der westlichen Strategen und der sie umsetzenden Politiker offenbar werden. Was ist das für ein Krieg, den die USA steuert, den sie von den NATO-Vasallen finanzieren lässt und für den die Ukrainer mit ihrem Blut bezahlen?
Im englischen Sprachgebrauch wird von einem „Proxy war“ geschrieben, also von einem Stellvertreterkrieg. Den deutschen Systemmedien ist dies allerdings recht fremd, da glaubt man an so etwas wie einen finalen Sieg der westlichen Waffen. Ein Propagandakrieg ist es allerdings nicht. Es ist die knallharte Auseinandersetzung zwischen der US-Vormacht mit ihren messianischen Vorstellungen von der Unipolarität, also der amerikanischen Weltherrschaft, und der wachsenden Mehrheit der Völker, die sich eine Multipolarität wünschen. Diesen Gegensatz gibt es seit langem. In Deutschland wurde das Streben nach Unipolarität in der Merkel-Ära verharmlosend als Neoliberalismus, also eher als Wirtschaftstheorie, verkauft. In den USA spricht man offener von Neokonservativen, auch kurz „NeoCons“ genannt. Ein anderer Ausdruck dafür ist „Rhodesier“, benannt nach dem britischen Kolonialisten Cecil Rhodes (1853 – 1902), der auch der ehemaligen britischen Kolonie Rhodesien – heute Simbabwe – den Namen gab. Rhodes, Mitbegründer der De Beers Mining Company, sah die Briten als „erste Rasse der Welt“ und träumte von einer Wiedervereinigung der anglo-amerikanischen Welt unter einer gemeinsamen, imperialen Regierung.
Um hinter den Nebelvorhang der deutscher Publizistik zu blicken, wollen wir vier Punkte näher beleuchten, die für das Verständnis der Auseinandersetzung wichtig sind und die in nicht einmal zwei Jahren Krieg deutliche Konturen herausgebildet haben. Dies sind die internationalen Beziehungen, der Stand der Diplomatie zur Beendigung des Krieges, sowie der aktuelle Stand auf dem Schlachtfeld. Als vierten Punkt wollen wir den Krieg in Gaza zumindest streifen, der den „lokal“ begrenzten Ukraine Krieg nicht nur massiv beeinflusst, sondern die geopolitische Dimension der Auseinandersetzung zwischen dem „globalen Westen“ unter Führung des US-Imperialismus und dem von Russland und China angeführten „globalen Süden“ deutlicher denn je hervortreten lässt. Ob dies schon als dritter Weltkrieg bezeichnet werden kann, der angesichts der riesigen Atomwaffenbestände in einzelne Konfliktfelder „zergliedert“, aber letztlich von beiden Seiten strategisch geplant wird, dürfte als eine Frage der Definition anzusehen sein.
Stand der internationalen Beziehungen
Der eigentliche Kontext des Krieges in der Ukraine ist also der Kampf auf der globalen Bühne zwischen der von den USA geführten Unipolarität und der von Russland, China und dem globalen Süden vertretenen Multipolarität. Russland nennt den Süden, ehemals als Dritte Welt bezeichnet, „die globale Mehrheit“. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach auf der Konferenz für eurasische Sicherheit von der „Phase eines wahrhaft wegweisenden tektonischen Wandels“, in die die internationale Gemeinschaft eingetreten sei. Putin hat die gleiche Formulierung verwendet. Was die Welt erlebt, so Lawrow, sei „der Aufstieg einer neuen und gerechteren multipolaren Weltordnung“. Dies sei „auf den hartnäckigen Widerstand der westlichen Minderheit gestoßen“, so Lawrow weiter. „Die Vereinigten Staaten und ihre Satelliten versuchen nicht, ihre Motive zu verbergen – sie sind entschlossen, ihre Vorherrschaft aufrechtzuerhalten und das Recht zu monopolisieren, Entscheidungen von globaler Bedeutung zu treffen.“
Trotz dieses Widerstands wurde die Neugewichtung der internationalen Ordnung kürzlich auf dem fünfzehnten jährlichen BRICS-Gipfel in Südafrika deutlich, bei dem eine Vielzahl von Ländern ihr Interesse an einer Mitgliedschaft bei BRICS angemeldet hat. Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate werden mit Jahresbeginn 2024 neue BRICS-Mitglieder. Dies war auch kürzlich in Peking zu sehen, wo Russland und China, die führenden Verfechter der multipolaren Welt, ihre „umfassende strategische Kooperationspartnerschaft“ ausbauten, die „den politischen und militärischen Allianzen der Ära des Kalten Krieges überlegen“ seien. Der chinesische Präsident Xi Jinping betrat demonstrativ den Großen Saal mit dem vom Internationalen Strafgerichtshof sanktionierten und „beschuldigten“ Putin an seiner Seite, um sich der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Xi sagte, dass sich das „gegenseitige politische Vertrauen“ zwischen China und Russland „immer weiter vertieft“.
Beide lobten in ihren Reden das „Ende der Hegemonie“ und den Aufstieg einer „gerechteren multipolaren Welt“. Dies sind Formulierungen, die im Westen nicht nur undenkbar im wahrsten Sinne des Wortes sind, sondern auch noch als rechts und undemokratisch angesehen werden. Und das, obwohl die westlichen Politiker ständig von Demokratie und Völkerrecht reden. Wenn Putin ankündigte, „mit China zusammenzuarbeiten, […] und die Schaffung eines gerechteren und vernünftigeren globalen Regierungssystems zu fördern“, so ist das sowohl als Programm, aber auch als Kampfansage zu verstehen. Zufällig sind diese Auseinandersetzungen nicht. Sie sind Teil eines Befreiungskampfes. Darauf vertrauen immer mehr Völker und Regierungen, während sie dem Westen zunehmend mit Mistrauen und Ablehnung begegnen. Xi sprach das an und betonte, dass die jüngste Erweiterung der BRICS „das Vertrauen der Entwicklungsländer in die Förderung der Multipolarität der Welt“ zeige. Aus westlicher Sicht könnte man es auch so formulieren, dass die ehemaligen Kolonien in Afrika und anderswo ihre Ängste vor den ehemaligen Kolonialherrschern verloren haben. Das Gipfeltreffen zum Thema „Gürtel und Straße“ fand in den deutschen Medien wenig Beachtung, was einmal mehr die Ignoranz des Westens gegenüber dem Aufstieg der multipolaren Welt zeigt.
Diplomatie zur Beendigung des Ukrainekrieges
Während die USA und ihre Alliierten weiterhin Russland die Schuld für den Krieg und das Ausbleiben von Verhandlungen zur Beendigung des Kampfhandlungen geben und darauf beharren, dass Moskau es mit Verhandlungen nicht ernst meine, verstehen immer mehr Regierungen und Völker, dass es der anglo-amerikanische Westen ist, der Machtpolitik statt Diplomatie praktiziert. Zeugen, darunter der ehemalige israelische Premierminister Naftali Bennet, der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu, Erdogans Parteichef Numan Kurtulmus und Berichte in den ukrainischen Medien über die Aktivitäten des britischen Ex-Premiers Boris Johnson, haben allesamt öffentlich belegt, wie die USA und das Vereinigte Königreich die Verhandlungen schon bei Beginn des Krieges blockierten. Die Zerteilung Russlands war und ist strategisches Ziel der Neocons in den USA. Die NATO-Osterweiterung war und ist deren strategische Politik. Wer Russlands Militäraktion gegen die Ukraine als Völkerrechtsverletzung brandmarkt, ignoriert den räuberischen Charakter der US-Politik und verharmlost die Vorgeschichte. Eine vorläufige Beilegung des Krieges soll wohl nicht vor den nächsten US-Präsidentschaftswahlen eingeleitet werden. Wenn denn Präsident Bidens Gesundheit und die Weltlage es gestatten.
Als einziger namhafter Politiker Deutschlands hat übrigens der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der auf Wunsch der Ukraine kurz nach Kriegsbeginn mit anderen eine wichtige Rolle bei den Istanbuler Gesprächen gespielte hatte, diesem Narrativ widersprochen und offen erklärt, dass „die Ukrainer am Ende nicht dem Frieden zustimmten, weil sie es nicht durften. Sie mussten erst die Amerikaner zu allem, was sie besprachen, fragen“. Schröders Aussage, dass es Frieden in der Ukraine hätte geben können, wenn die USA nicht Nein gesagt hätten, fand in den deutschen Medien keine Beachtung. Die deutsche Öffentlichkeit ist sich dessen nicht bewusst, dass Krieg oder Frieden in Europa auch von Deutschland abhängt. Stattdessen diffamieren die Ampel und die Medien Schröder als Putin-Versteher. In seiner Rede vor der internationalen Konferenz für eurasische Sicherheit machte Lawrow deutlich, dass Moskau die Bedeutung von Schröders Erklärung sehr wohl zur Kenntnis genommen habe.
Die Lage auf dem Schlachtfeld
Die Gegenoffensive der Ukraine ist nach fünf Monaten gescheitert. Auch wenn sich die westlichen Politiker und Medien zu diesem Eingeständnis immer noch nicht durchringen können. Außer enormen Verlusten an Leib und Leben wurde militärisch nichts erreicht. Politisch hat der globale Westen jedoch zweierlei bewiesen: zum Einen ist er bereit für den Erhalt seiner Machtpositionen ganze Völker auf die Schlachtbank zu führen. Ganz im Sinne der kolonialen Traditionen des christlichen Abendlandes. Gleichzeitig hat Russland demonstriert, dass man sich der geballten Macht der USA und der NATO nicht beugen muss. Darin liegt die tiefere Bedeutung des Scheiterns der Ukraine. Die Dezimierung der ukrainischen Soldaten und Waffen durch Russland ist schmerzlich, weil jeder Tote einer zu viel ist. Sie hat zugleich aber die Möglichkeit einer russischen Gegenoffensive geschaffen. Diese Gelegenheit scheint sich nun an mehreren Fronten zu bieten. Russland konzentriert sich nicht mehr darauf, aus einer defensiven Position heraus schwere Verluste an Menschenleben und Waffen zu erzwingen, die den Westen zur Aufgabe veranlassen. Jetzt rückt die russische Armee an mehreren Fronten und an verschiedenen Orten vor. Darüber und über die militärische Strategie, die dahinter steht, berichten die deutschen Systemmedien nicht. Dort wird noch für den Sieg getrommelt.
Militärisch am wichtigsten ist die Gegend um die Stadt Awdijiwka, nördlich von Donezk. Wenn Russland sie einnimmt, könnte eine dreißig Kilometer lange Frontlinie zusammenbrechen und mit ihr die gesamte Donbass-Front „wie Glas zerspringen“, wie es ein Analyst ausdrückte – und den russischen Streitkräften einen Vorstoß nach Donezk ermöglichen. Das würde Russlands Ziel, die gesamte annektierte Region zu sichern, weiter voranbringen. Doch die Schlacht ist noch nicht vorbei. Sie ist von entscheidender Bedeutung, nicht nur, weil sich beide Seiten anscheinend voll und ganz darauf eingelassen haben, so wie sie es im Falle von Bakhmut getan hatten, sondern weil es mehr oder weniger das Ende der Ukraine bedeuten würde. Es wäre nämlich der dritte große Verlust der Ukraine in Folge: der Verlust von Bakhmut, das Scheitern der Gegenoffensive und der Verlust von Awdijiwka. Dieser Zusammenhang hat bisher wenig Aufmerksamkeit in den deutschen Medien erregt, doch er könnte sich zu einer der entscheidenden Schlachten des Krieges entwickeln. Obwohl die westliche Öffentlichkeit diesen drei Ereignissen wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat, könnten sie sich als entscheidend erweisen.
Der Gaza-Krieg
In dieser Phase des Ukrainekrieges haben die USA die Angriffe der Hamas auf Israel zu einem neuen Nahost-Krieg aufgeblasen. Natürlich hätten sie ihren Vasallen Netanjahu an die Kette legen und den Einmarsch in den Gazastreifen verbieten können – genauso wie sie Selenskyj den Frieden in der Ukraine verboten hatten. Ausgerechnet dann, wenn der Ukrainekrieg verloren geht, starten die USA einen weiteren. Bemerkenswert ist auch, dass der Westen der Ukraine nicht mehr genügend Munition liefern kann. Ganz zu schweigen davon, dass die Ukraine inzwischen ihr letztes Aufgebot zu mobilisieren versucht. Frauen, Rentner und Halbwüchsige werden eingezogen. In Deutschland hatte man dafür einmal die Bezeichnung „Volkssturm“ – doch die deutschen Systemmedien berichten nicht darüber. Auch nicht einmal aus Mitgefühl für die vielen ukrainischen Familien, die als Flüchtlinge hierzulande sind.
Die USA lehnen jegliche Friedensinitiative ab, obwohl sie wissen, dass die Mehrheit der Staaten gegen eine Vernichtung der Palästinenser in Gaza ist. Die Abstimmungsergebnisse in der UN sind eindeutig. USA und Israel gegen den Rest der Welt. Stattdessen liebäugeln die Neocons im Weißen Haus mit der Möglichkeit, den Iran anzugreifen. Die Angriffsgruppen mit den Flugzeugträgern sind bereits im östlichen Mittelmeer positioniert. Es ist offensichtlich, die USA wollen weder Frieden noch eine Verhandlungslösung. Diplomatie kommt in ihrem Vokabular nicht vor. Weder in der Ukraine noch im Nahen Osten. Sie kennen nur Machtpolitik. „We will rule You or we kill You“ schrieb darüber ein amerikanischer Kommentator. Aber der Iran und Ägypten sind in sechs Wochen BRICS-Mitglieder, eine Sackgasse, in die sich die Neocons im Weißen Haus selbst hineingesteuert haben. Die ersten Stimmen werden auch in den USA laut, Gods own Country habe sich überdehnt. Einen dritten Krieg schaffen die USA aber auch die NATO nicht. Auch wenn die Mehrheit der deutschen Systemmedien darüber nicht oder nur eingeschränkt berichten, wird es Zeit, die USA ihren eigenen Weg alleine gehen zu lassen.
Quellen und Verweise:
Cecil Rhodes
Fast 500.000 Tote und Verletzte im Ukrainekrieg
China to host Belt and Road forum in Beijing Oct 17-18